Seit 1981 lebt die Grazer Mathematikerin Brigitte Servatius in den USA. "Damals hat es in Österreich für Frauen, die sich für diese Fachrichtung entschieden haben, kaum Jobs gegeben. Drüben habe ich drei Bewerbungen verschickt und drei Angebote erhalten."
Entschieden hat sie sich für das Worcester Polytechnic Institute in Massachusetts, eine Privatuniversität, wo sie mittlerweile schon Professorin ist. Diese Karriere, sagt sie heute, wäre in Österreich wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Zumal die 1954 geborene Wissenschafterin mittlerweile sieben Kinder zur Welt gebracht hat. Dabei habe sie allerdings auch die Nachteile des amerikanischen Gesellschaftssystems erlebt, erzählt sie. "Ich habe schon kurz nach der Geburt meines ersten Kindes wieder arbeiten müssen. Es gab damals hier keinen Mutterschutz. An der Uni sagte man mir kurz: Wir bezahlen Sie nicht, um Kinder zu kriegen."
Dass es mittlerweile sieben sind, im Alter zwischen elf und 28 Jahren, verursache oft staunende, fragende Blicke. Wie managen das Brigitte und Ehemann Herman Servatius, ebenfalls Mathematiker, beschäftigt an der Clarke University in Worcester? "Wir managen es nicht. Es funktioniert ganz einfach."
Brigitte Servatius gilt in den Vereinigten Staaten als Expertin für diskrete Mathematik, einem Zweig, der sich mit endlichen Strukturen beschäftigt und seit der Entwicklung leistungsfähiger Computer boomt. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig: Methoden der diskreten Mathematik sind für das Chipdesign genauso Voraussetzung wie für die Steuerung von Werkzeugmaschinen oder Robotern. Auch in der Statik werden sie angewandt.
Wichtig ist für Servatius, dass neben der Alltagsarbeit die Kreativität nicht auf der Strecke bleibt. "Ich möchte schon auch gestalten – und nicht nur ein Rädchen sein." In einer Kleinstadt wie Worcester, in einer eher naturbelassenen Region, falle ihr das jedenfalls leichter als in Metropolen, "wo alles seine vorgegebenen Bahnen geht".
Servatius gibt ein Mathematikjournal heraus und hat sich etwa vier Autostunden von Worcester entfernt 50 Hektar Wald gekauft. "Dafür habe ich ungefähr das bezahlt, was ein Auto kostet. Ich sage daher 'Mein Auto' zu diesem Stück Wald." Zuletzt habe sie dort mit ihrer Familie aus Bäumen, die während eines Sturms niedergerissen wurden, eine Hütte gebaut. Frei nach dem Motto "zurück zur Natur".
Tradition scheint für die Mathematikerin sehr wichtig zu sein. Deshalb spielt sie auch mit den übrigen acht Familienmitgliedern gern Hausmusik. "Jeder von uns kann zwei Instrumente spielen. Wir sind ein kleines Orchester."
Deshalb denkt sie auch an eine Rückkehr nach Österreich – zuletzt im Rahmen der Technologiegespräche in Alpbach, wo sie im Rahmen eines AuslandsösterreicherInnen-Treffens der Initiative Brainpower Austria auch Journalistenfragen beantwortete. Die USA seien zwar um vieles größer als Österreich – nicht nur in Quadratkilometern, auch geistig gerechnet –, alt würde sie aber dennoch lieber hierzulande werden.
(Peter Illetschko/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.8. 2008)